Sie schalten kaum im Airliner eingestiegen sofort Ihr Smartphone aus, weil Sie zu wissen meinen, dass ansonsten die avionischen Geräte im Cockpit verrückt spielen? Entspannen Sie sich. Der neben Ihnen macht vielleicht gerade einen verdeckten Anruf und passieren tut ohnehin nichts, der Einfluss auf die Geräte im Cockpit ist gelogen – seit über 20 Jahren.
klebende Unwahrheiten
Wir alle kennen die Unwahrheiten, die sich teilweise seit Generationen in unsere Hirne eingeprägt haben, und die so plausibel tönen, dass man denken könnte, sie wären doch wahr oder es sei zumindest etwas dran. Doch das wiederholte Lesen und Hören von Lügen macht diese trotzdem nicht wahrer. Zu den bekanntesten Beispielen gehört das Eisen im Spinat, das ja bekanntlich nur auf einen zu spät bemerkten Rechenfehler (Kommafehler, um genau zu sein) zurückzuführen war, oder dass man nach dem Essen mit vollem Bauch nicht schwimmen sollte. Letzteres hat mein viereinhalb-jähriger Sohn bereits via Jörg Schneider alias Kasperli aufgesaugt und mir sichtlich entsetzt erklärt, dass ich nun nach dem Essen ganz sicher nicht ins Wasser gehen könne. Doch, kann man, schon immer. Diese Lüge hat ihren Ursprung im Übrigen bei einigen bequemen Erwachsenen, die einfach nach dem Essen rund um den Pool noch etwas Ruhe haben wollten.
Und ja, solche Unwahrheiten halten sich unglaublich hartnäckig.
Wir als Beings of Frequency
Es geht mir nachfolgend nicht darum, die Auswirkungen des Elektromagnetismus‘ auf lebende Organismen zu hinterfragen. Es ist bekanntlich so, dass nichts keinen Einfluss hat, also wird wohl auch da etwas dran sein. Doch braucht es den differenzierten Blick: Einfache, technische Geräte und lebende Organismen lassen sich denn auch kaum miteinander vergleichen.
Der aktuelle Film „Resonance – Beings of Frequency“ greift die Auswirkungen unter Erklärung der weltumspannenden Schumann-Resonanz auf und zeigt, resp. will zeigen, dass wir uns mit all der von uns geschaffenen Strahlung auf ein Abenteuer eingelassen haben, dessen Ausgang wir heute noch nicht kennen.
Weil’s in diesen Kontext gehört und natürlich sehr spannend ist, hier der Trailer dazu – auch wenn ich den Film in der ganzen Länge noch nicht geschaut habe und darum den auch hier nicht weiter ausführe:
der Selbstversuch
Mich interessieren die möglichen Interferenzen des Gebrauchs eines Smartphones auf die Avionik eines Flugzeuges schon länger, doch so richtig erklären konnte mir das bis heute kein Mensch – und ich kenne da doch ein paar hochrangige Militär-, Test- und Zivilpiloten. Darum schritt ich in der Vergangenheit zum Selbstversuch.
Das Gerücht gibt es seit über 20 Jahren. Es gab bisher keinen einzigen Vorfall.
Das einfache am Versuchssetup war, dass ich selbst Pilot bin und mir daher ein Flugzeug zur Verfügung steht, bei dem ich bei solchen Kapriolen keine anderen Menschen gefährde. Das etwas Schwierigere war, dass in unserem Hochleistungsakro-Flieger kaum ein Instrument ist, auf das eine Auswirkung festgestellt werden könnte – doch gerade auch diese Dominanz der Mechanik in unserem spartanisch ausgestatteten Turngerät machten den Versuch ja völlig ungefährlich, denn steuerbar bleibt das Flugzeug auch gänzlich ohne Elektronik.
Das Fazit ist schnell erzählt: Ich habe mein Smartphone mitgenommen, eingeschaltet, Websites aufgerufen, Anrufe ausgelöst – doch passiert ist nichts anderes, als das, was auch auf dem Boden passiert wäre.
ein neuer Science-Artikel im Economist schafft Klarheit
Und es scheint, als dass ich nicht der Einzige mit diesem Befund bin: Mitte Dezember 2012 publizierte der Economist einen Artikel mit dem Titel „Difference Engine: Phones up in the air“. Er ging der genau gleichen Frage nach, wieso denn PEDs (Portable Electronic Devices) in Flugzeugen in verschiedenen Situationen nicht eingeschaltet sein dürfen und wieso z.B. genau ab 3’000 Meter Höhe schon. Den Artikel lege ich allen ans Herz, die sich für diese Fragestellung interessieren:
http://www.economist.com/blogs/babbage/2012/12/radio-interference
Die Highlights aus dem Artikel fasse ich hier gerne kurz als Teaser zusammen:
- Ursprung
Das Verbot stammt nicht aus wissenschaftlichen Analysen oder Tests mit avionischen Geräten, sondern aufgrund der Anfragen der Mobilfunkbetreiber, die auf Basis des technologischen Setups von klassischen Sendeantennen nicht garantieren können, dass ihr Mobilfunknetz weiterhin korrekt funktioniert, wenn aus einer gewissen Höhe verschiedene Sendemasten ein Smartphone erreichen.
Dass die Nutzung anderer PEDs, die keine Sendemasten brauchen, dann auch verboten wurde, ist seit daher seit Beginn völliger Unsinn.
. - Inkonsequenz
In vielen Airlinern gibt es heute – zumindest in der First Class – Steckdosen, an denen elektronische Geräte und deren Akkus wieder aufgeladen werden können. Die elektromagnetischen Interferenzen sind bei diesen Ladeadaptern um ein Vielfaches grösser als bei einem Smartphone – jedoch zugelassen. Diese inkonsequente Anwendung deckt das Fehlen jeglicher wissenschaftlichen Basis offensichtlich auf.
. - Gerüchte
Wie einleitend beschrieben lieben wir Menschen Geschichten und halten auch an Unwahrheiten gerne fest, insbesondere dann, wenn wir sie einander wieder und immer wieder erzählen. Boeing und Airbus haben aber nicht geschlafen und in den letzten Jahren in Versuchsanordnungen ihre Airliner mit elektromagnetischen Wellen aller Art bombardiert, wie diese von PEDs in etwa ausgehen müssten. Das Resultat? Nicht ein einziges Gerücht konnte wissenschaftlich belegt werden. Selbst dann nicht, wenn es wirklich darauf angelegt wird.
Unwissenheit und Willkür beleben diese Lüge seit 20 Jahren.
- Piloten mit iPads
Ich kann bestätigen was heute längst bekannt ist, nämlich dass viele Piloten mit iPads auf den Knien herumfliegen. Nicht, weil dies heute bereits eine zwingende Vorgabe ist, sondern weil es das Leben eines Airline-Piloten massiv vereinfacht (Manuals, Karten, …). Der Gebrauch dieser und anderer portablen Geräte wurde vom FAA (Federal Aviation Administration) bereits 1990 erlaubt. Diese Geräte werden in zahlreichen Fluggesellschaften permanent eingeschaltet gelassen und befinden sich viel näher an den avionischen Geräten als jedes Smartphone eines Passagiers.
. - Pseudo-Abschaltung der Devices
Die weniger subversiven Passagiere schalten ihre Smartphones und Tablets aus. Die meisten jedoch nur in den Flugmodus oder einen Standby-Betrieb, der auf die elektromagnetische Strahlung keinen oder nur einen sehr geringen Einfluss hat. So sucht ein Laptop beispielsweise weiterhin auch im Standby-Modus nach dem nächsten WLAN.
. - Es wird schon lange telefoniert!
Im IEEE Spectrum (Fachmagazin des Institutes of Electrical and Electronics Engineers) wurden Versuche aus dem 2003 publiziert, bei denen verdeckt getätigte Anrufe in Airlinern in den so genannt kritischen Phasen von Start und Landung aufgespürt wurden. In allen 37 beobachteten Flügen wurden im Innern stets zwischen ein und vier Anrufe mittels Spektralanalyse gemessen, die verdeckt getätigt wurden. Das also war vor 10 Jahren – wir können uns heute vorstellen, wie viele Anrufen gemessen würden, da heute ja praktisch alle Passagiere ein Smartphone besitzen. Einen Flugunfall, der auf die Nutzung eines PEDs zurückzuführen ist, gab’s bisher in der Geschichte der Luftfahrt aber noch nie.
. - 20 Jahre Testing
Trotz 20 Jahren teils intensiven Testings ist es weder den Behörden noch den Airline-Herstellern gelungen, die Auswirkungen von mobilen Telefonen auf die avionischen Geräte demonstrieren zu können.
. - FCC-Entscheid 1991 als Lüge getarnt
Das FCC (Federal Communication Commussion) war denn auch 1991, als der Entscheid zum Verbot von Smartphones in Airlinern beschlossen wurde, nie über die angeblichen Auswirkungen auf die Instrumente im Cockpit besorgt. Es ging ihnen immer nur – auch wenn das so nicht wahrheitsgetreu kommuniziert wurde – um die Auswirkungen auf die Mobilfunknetz-Betreiber am Boden. Ganz einfach muss man sich das so vorstellen: Ein Sendemast hat einen bestimmten Kanal, der nie der gleiche ist, wie die Kanäle der gerade umliegenden Masten. Der Kanal kann aber sehr wohl der gleiche sein, wie der eines Masten noch weiter weg. Wenn also ein Smartphone in grosser Höhe gleich mit zwei Masten kommunizieren kann, die am Boden so nicht mit dem Smartphone gleichzeitig kommunizieren könnten, dann kann der Mobilfunk-Betreiber in Schwierigkeiten geraten, sprich, Gespräche können verloren gehen, die Software des Mobilfunk-Betreibers kann Fehler generieren oder Kanäle werden automatisch blockiert, so dass die Leistungsfähigkeit des Netzes generell abnimmt. Aber Leib und Leben ist auch hier niemals in Gefahr.
Als CEO einer Software-Entwicklungsfirma wäre ich natürlich dafür, die Software entsprechend zu optimieren, dass dieser Sachverhalt zu keinen Fehlern führt. Das wäre zumindest freundlicher, als deswegen einfach Generationen von Menschen anzulügen und zu verunsichern.
. - Die 3’000 Meter-Regel
Wenn niemand so richtig draus kommt, dann entstehen lustige Gedankenkonstrukte. Es in verschiedenen Airlines die Regel, dass Geräte erst ab 3’000 Meter Höhe in Betrieb genommen werden dürfen. Wieso gerade 3’000 Meter? Die Begründung sei, dass man dann, wenn eine Interferenz oder ein Problem dargestellt wird, noch genügend Zeit (Sturzflug) für deren Feststellung und Behebung habe. Eine Regel also, die sich irgendwelche so genannten Experten aus dem Ärmel geschüttelt haben, die ein Problem lösen sollten, das es nicht gibt.
. - FAA will ihr Gesicht wahren
Der Druck aufgrund der Beweislage gegen die hirnrissigen Regeln des FAA ist enorm. Nicht zuletzt deswegen hat das FAA dem Reporter Nick Bilton der New York Times gesagt, dass das FAA die ganze Thematik mit einem frischen Blick nochmals anschauen würde. Das FCC hat zudem zugestimmt, diese Anstrengungen bestmöglich zu unterstützen. Die aktuellen Regeln aber verhindern den geplanten Fortschritt: Aktuell muss eine Airline jedes Gerät durch das FAA, das sollte eingeschaltet bleiben können, prüfen lassen. Und dies pro Flugzeugtyp der gesamten Flotte. Das kostet die Airlines derart viel, dass es keine machen wird – es gibt ja heute schon unzählige Android-Devices, iPhone-Generationen und z.B. Blackberries.
. - winzige Chance auf bessere Zukunft
Im gleichen Kontext hat das FAA erklärt, dass sie zusammen mit den Herstellern diesen Zertifizierungsprozess vereinfachen wollen. In Insider-Kreisen glaubt man diesen Beteuerungen aber kaum.
. - Und dann will man die Situation businessmässig noch ausschlachten
Damit die FAA ihr Gesicht wahren kann wird man wohl dran festhalten, dass es mit den bestehenden Technologien einfach nicht möglich ist. Das FCC hat bereits Frequenzbänder von 450 und 800 MHz reserviert und erklärt, dass man über diese Frequenzen mit Satelliten-Unterstützung WiFi-ähnliche Internetzugriffe ermöglichen wolle und könne. Ob es wirklich noch mehr elektromagnetische Wellen braucht, die unseren Erdball umspannen, ist wieder eine andere Geschichte (vgl. Trailer oben).
Und natürlich will man damit nun auch Geschäfte machen. Virgin Atlantic bietet auf den Atlantik-Routen Internet per Ende 2012 zu USD 1.60 pro Minute an, ein SMS für 32 Cents.
Airlines wie beispielsweise die Swiss stellen das Prozedere darum nicht um, weil sie einerseits an gewisse Regulatorien gebunden sind, andererseits hat die Swiss wie jede andere Airline aber einfach nur Angst davor, diesem klebenden Gerücht endlich den Rücken zu kehren und als erste den Schritt zu wagen.
Wenn Sie aber das nächste Mal im Airliner sitzen und zwingend noch ein SMS abschicken oder einen Anruf entgegennehmen müssen – tun Sie das, es passiert schlichtwegs nichts.
Artikel im Economist (17.12.2012)
Trailer Resonance – Beings of Frequency (YouTube)
Dok-Film Resonance – Beings of Frequency (YouTube)
Comments (0)